Cannabis am Steuer: Berufskraftfahrerin bekommt Führerschein (vorerst) zurück

Das neue Cannabisgesetz (CanG) hat viele Fragen aufgeworfen, insbesondere im Fahrerlaubnisrecht. Ein aktueller Fall vor einem Verwaltungsgericht (VG) zeigt nun deutlich: Die Hürden für die Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) nach einer Fahrt unter Cannabiseinfluss sind gestiegen – selbst für Berufskraftfahrer. Eine Fahrerin bekam ihren entzogenen Führerschein im Eilverfahren zurück, weil die zugrundeliegende MPU-Anordnung des Amtes voraussichtlich rechtswidrig war. Schauen wir uns den Fall genauer an.

Was war passiert? Der Vorfall und die Folgen

Im Januar 2024 wurde eine Berufskraftfahrerin bei einer Polizeikontrolle angehalten. Eine Blutprobe ergab eine erhebliche THC-Konzentration von 10,8 ng/ml (sowie relevante Abbauprodukte). Zur Erinnerung: Der neue gesetzliche Grenzwert für eine Ordnungswidrigkeit liegt seit August 2024 bei 3,5 ng/ml THC, ab diesem Wert wird eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit als „nicht fernliegend“ angesehen. Ein Wert ab 7 ng/ml gilt laut Experten als „erhöhtes Risiko“. Die Fahrerin lag also deutlich darüber.

Die Fahrerlaubnisbehörde wurde informiert und ordnete zunächst ein ärztliches Gutachten an. Dieses ergab:

  • Aktuell war die Fahrerin abstinent (keine Cannabinoide nachweisbar).
  • Ihre Angaben zum früheren Konsum (seit 2012 nur 1x jährlich, dann mehrere Joints über die Feiertage Ende Dez 2023/Anfang Jan 2024) wurden von der Gutachterin als unglaubwürdig eingestuft – sie passten nicht zum hohen THC-Wert vom 4. Januar.
  • Fazit des Gutachtens: Mindestens gelegentlicher Konsum bis Januar 2024, Fahreignung in Frage gestellt.

Die MPU-Anordnung: Hoher THC-Wert + Beruf = Missbrauch?

Auf Basis dieses Gutachtens und des Vorfalls ordnete die Behörde im Juni 2024 die Beibringung einer MPU an. Die Begründung: Es lägen Tatsachen vor, die einen Cannabismissbrauch begründen (§ 13a Nr. 2 FeV). Unter Missbrauch versteht man hier vor allem die Unfähigkeit, den Konsum und das Fahren sicher zu trennen.

Die Behörde argumentierte:

  1. Der hohe THC-Wert (deutlich über dem Risikogrenzwert von 7 ng/ml) zeige eine mangelnde Trennung am Tattag.
  2. Da die Fahrerin Berufskraftfahrerin sei, bestehe ein besonderes Risiko. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie erneut unter Cannabiseinfluss fahren müsse, um ihren Beruf auszuüben. Dieser „Dauerkonflikt“ rechtfertige die Annahme zukünftigen Missbrauchs.

Die Fahrerin wehrt sich – und bekommt Recht (vorerst)

Die Fahrerin weigerte sich (nach anfänglicher Zustimmung und anwaltlicher Beratung), die MPU durchzuführen. Sie argumentierte unter anderem, dass nach dem neuen Cannabisgesetz ein einmaliger Verstoß nicht mehr für eine MPU ausreiche und die Fragestellung der Behörde teilweise unzulässig sei.

Da sie das Gutachten nicht fristgerecht vorlegte, entzog ihr die Behörde prompt die Fahrerlaubnis – eine Standardfolge nach § 11 Abs. 8 FeV („Wer das Gutachten nicht beibringt, gilt als ungeeignet“).

Die Fahrerin klagte gegen den Entzug und beantragte Eilrechtsschutz, um ihren Führerschein sofort zurückzuerhalten. Und das Gericht gab ihr im Eilverfahren Recht!

Warum das Gericht die MPU-Anordnung kippte

Das Gericht prüfte die Rechtmäßigkeit der MPU-Anordnung (Stand Juni 2024) und kam zu dem Schluss, dass diese voraussichtlich rechtswidrig war. Die Kernpunkte der Entscheidung:

  1. Einmaliger Verstoß reicht nicht mehr: Seit Inkrafttreten des CanG am 1. April 2024 gelten für die MPU-Anordnung bei Cannabis ähnliche Regeln wie bei Alkohol (§ 13a FeV wurde an § 13 FeV angelehnt). Ein erstmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot (Fahren unter relevantem THC-Einfluss) genügt nicht mehr automatisch für die Annahme von „Missbrauch“, der eine MPU rechtfertigt. Hierfür müssten weitere Tatsachen hinzukommen. Dass das Gesetz nun explizit eine MPU bei wiederholten Cannabis-Fahrten vorsieht (§ 13a Nr. 2 lit. b FeV), stützt diese Auslegung – sonst wäre diese Regel überflüssig.
  2. Berufskraftfahrer = Automatisch Missbrauchsgefahr? Nein! Die Behörde sah die „weiteren Tatsachen“ im Beruf der Fahrerin. Das Gericht widersprach: Zwar könne bei Berufskraftfahrern (ähnlich wie bei Alkohol) ein erhöhtes Risiko bestehen. Dies setze aber in der Regel häufigen, intensiven oder unkontrollierten Konsum voraus oder besonders unplanbare Arbeitszeiten (z.B. Rettungsdienst). Beides konnte die Behörde hier nicht nachweisen:
    • Das ärztliche Gutachten bezweifelte zwar die Angaben der Fahrerin, stellte aber keinen bestimmten Konsum (z.B. „häufig“) fest.
    • Die Behörde hatte keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass die Fahrerin als Tanklastwagenfahrerin besonders unplanbare Dienste oder zu kurze Pausen hätte, die einen Dauerkonflikt begründen würden.
  3. Keine anderen Gründe: Auch die übrigen Voraussetzungen für eine MPU nach § 13a FeV (wiederholte Fahrten, frühere Entziehung, Abhängigkeit etc.) lagen nicht vor.

Fazit: Höhere Hürden für MPU nach Cannabis-Fahrt

Da die Anordnung der MPU voraussichtlich rechtswidrig war, durfte die Behörde aus der Weigerung der Fahrerin auch nicht auf deren Nichteignung schließen. Der Führerscheinentzug wurde daher im Eilverfahren aufgehoben – die Fahrerin erhält ihren Führerschein vorerst zurück.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Das Urteil bestätigt den Trend: Die Anforderungen für die Anordnung einer MPU nach einer Cannabis-Fahrt sind durch das CanG gestiegen.
  • Ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot reicht – auch bei Werten deutlich über dem Grenzwert – in der Regel nicht mehr aus.
  • Zusätzliche Risikofaktoren (wie der Beruf) müssen konkret begründet und nachgewiesen werden. Ein pauschaler Verweis auf „Berufskraftfahrer“ genügt nicht ohne Weiteres, um zukünftigen Missbrauch zu prognostizieren.
  • Wichtig bleibt aber: Fahren unter relevantem Cannabiseinfluss (über 3,5 ng/ml THC) ist eine Ordnungswidrigkeit und kann erhebliche Konsequenzen haben – auch wenn nicht sofort eine MPU droht. Das Trennen von Konsum und Fahren ist weiterhin essenziell!

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hier weiterentwickelt und wie die Behörden die neuen Vorgaben umsetzen. Dieser Fall zeigt jedoch, dass Betroffene die Anordnung einer MPU nach dem CanG genauer prüfen lassen sollten.