Waffenverbot für AfD-Politiker

Ein Paukenschlag im Waffenrecht: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat entschieden, dass die bloße Mitgliedschaft in der AfD und die Einstufung der Partei als „Verdachtsfall“ durch den Verfassungsschutz nicht ausreichen, um einem langjährigen und aktiven Parteimitglied die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abzusprechen und ihm seine zahlreichen Waffenbesitzkarten zu entziehen.

Waffenverbot für AfD-Politiker

Das OVG kassiert eine Entscheidung der Waffenbehörde und des erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts.

Der Fall: Ein AfD-Politiker mit 197 Waffen

Der Kläger, ein ehemaliger Bundesbeamter, ist nicht nur passionierter Waffensammler und Sportschütze mit insgesamt 197 eingetragenen Waffen auf verschiedenen Waffenbesitzkarten (WBKs), sondern auch seit Jahren politisch in der AfD aktiv. Er kandidierte für die Partei bei Kommunal-, Bundestags- und Landtagswahlen und ist stellvertretender Sprecher eines Kreisverbandes.

Nachdem die Waffenbehörde von seinen politischen Aktivitäten erfuhr und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als „Verdachtsfall“ einstufte (also tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sah), widerrief die Behörde im Juni 2023 sämtliche waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers (WBKs, Kleiner Waffenschein, Munitionserwerbsschein etc.) und lehnte Anträge auf Eintragung weiterer Waffen ab. Die Begründung: Der Kläger sei aufgrund seiner Mitgliedschaft und Unterstützung der AfD als „Verdachtsfall“ waffenrechtlich unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Waffengesetz (WaffG).

Das Verwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung weitgehend. Doch der Kläger ging in Berufung – mit Erfolg!

Die Entscheidung des OVG: Eine Frage der Beweismaßstäbe

Das OVG hob den Bescheid der Behörde und das Urteil des Verwaltungsgerichts (soweit noch strittig) komplett auf. Die Kernfrage war: Reicht die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuften Partei aus, um die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auszulösen?

Das OVG sagt klar: Nein!

  • Die Begründung ist juristisch detailliert, aber im Kern geht es um Folgendes:

    1. Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG: Diese Vorschrift besagt (vereinfacht), dass Personen unzuverlässig sind, bei denen „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied einer Vereinigung waren (lit. b) oder diese unterstützt haben (lit. c), die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt (hat).
    2. Der entscheidende Unterschied: Das OVG argumentiert nach sorgfältiger Prüfung von Wortlaut und Gesetzgebungsgeschichte, dass sich die Formulierung „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ (also ein begründeter Verdacht) nur auf die Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlung der Person selbst bezieht.
    3. Die Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung muss feststehen: Für das weitere Merkmal – dass die Vereinigung (hier die AfD) tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt – genügt ein bloßer Verdacht laut OVG nicht. Diese Verfassungsfeindlichkeit muss zur Überzeugung der Behörde bzw. des Gerichts feststehen, also erwiesen sein.
    4. „Verdachtsfall“ ≠ Feststehende Verfassungsfeindlichkeit: Die Einstufung als „Verdachtsfall“ durch das BfV bedeutet lediglich, dass tatsächliche Anhaltspunkte für solche Bestrebungen vorliegen, die eine Beobachtung rechtfertigen. Es bedeutet aber gerade nicht, dass die Verfassungsfeindlichkeit bereits zur Gewissheit verdichtet oder erwiesen ist. Dafür wäre die Einstufung als „gesichert extremistisch“ erforderlich.
    5. Anwendung auf den Fall: Da die AfD (Bundespartei und der relevante Landesverband NRW) zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde nur als „Verdachtsfall“ eingestuft war, fehlte der nach Auffassung des OVG erforderliche Nachweis der feststehenden Verfassungsfeindlichkeit. Die Einstufung anderer Landesverbände (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt) als „gesichert“ sei nicht ohne weiteres auf die Bundespartei oder den NRW-Verband übertragbar.
    6. Keine anderen Gründe für Unzuverlässigkeit: Da die Mitgliedschaft/Unterstützung der AfD als „Verdachtsfall“ nicht ausreichte und keine anderen Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit des Klägers vorlagen, war der Widerruf rechtswidrig.

Die Konsequenzen des Urteils

  • Der Widerruf aller waffenrechtlichen Erlaubnisse wurde aufgehoben.
  • Die Anordnungen zur Abgabe der Waffen und Dokumente sowie die Gebührenfestsetzung wurden ebenfalls aufgehoben.
  • Die Behörde wurde sogar verpflichtet, dem Kläger die Erlaubnis für die zwischenzeitlich erworbenen und zur Eintragung beantragten Waffen zu erteilen.
  • Die Kosten des gesamten Verfahrens beider Instanzen muss die Behörde tragen.
  • Das OVG ließ keine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu.

Was bedeutet dieses Urteil?

Dieses Urteil setzt hohe Hürden für den Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse allein aufgrund der Mitgliedschaft in einer Partei oder Vereinigung, die „nur“ als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz eingestuft wird. Es betont den Unterschied zwischen einem Verdacht, der nachrichtendienstliche Beobachtung rechtfertigt, und der für einen Grundrechtseingriff wie den Entzug von Erlaubnissen erforderlichen, gerichtsfest nachgewiesenen Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung.

Es bedeutet jedoch nicht, dass AfD-Mitglieder generell vor dem Entzug ihrer Waffenbesitzkarten sicher sind. Individuelle verfassungsfeindliche Äußerungen oder Handlungen oder eine zukünftige Einstufung des relevanten Parteiverbandes als „gesichert extremistisch“ könnten weiterhin zur Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führen.

Die Entscheidung dürfte weitreichende Diskussionen über das Verhältnis von Waffenrecht, Parteimitgliedschaft und Verfassungsschutz nach sich ziehen.